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Sven Laichinger, Obermeister der Tübinger Bau-Innung: Die Boomzeiten sind vorbei

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven in der Bauwirtschaft: Kosten, Vorschriften und Fachkräftemangel

Sven Laichinger, Obermeister der Tübinger Bau-Innung: Die Boomzeiten sind vorbei

Der Maurer ist von Anfang an auf der Baustelle dabei und immer ein gefragter Mann. Bild: Bauwirtschaft BW

Waren die vergangenen Jahre noch gute Zeiten für die Bauwirtschaft, so leiden die Baubetriebe derzeit besonders unter der jetzigen Wirtschaftskrise. Sven Laichinger, der Obermeister der Tübinger Bau-Innung, umschreibt die Lage folgendermaßen: „Kurz gesagt, desaströs.“

Vor allem die Aufträge von privaten Bauherren sind weggebrochen. An was liegt's? „Die Menschen können es sich schlichtweg nicht mehr leisten“ so Laichinger, „bei steigenden Preisen und den hohen Zinsen noch ein Häusle zu bauen.“

Obwohl die reinen Baukosten in den vergangenen Jahren eigentlich nicht gestiegen sind, so machen den privaten Bauherren die ständigen Forderungen der Politik und die vielen neuen Vorschriften und Auflagen - beispielsweise an die Isolierung - besonders zu schaffen.

Das verteuert alles ungemein, stellt der Obermeister fest. Sorgen macht ihm auch, dass sich im kommenden Jahr die Mautkosten für Lastkraftwagen verdoppeln. Er schätzt, dass allein diese politisch gewollte Maßnahme zusammen mit den steigenden Benzinpreisen die Transportkosten um gut 30 Prozent steigern wird.

„Das wird dann jeder merken“ stellt er fest, „auch die Lebensmittelpreise werden nach oben gehen. Man wird es an jedem Jogurtbecher am Preis im Supermarkt zu spüren bekommen.“

Dabei sei die Bauwirtschaft eigentlich die nachhaltigste Branche überhaupt. „Richtig gebaut, ist an Nachhaltigkeit nicht zu übertreffen“, ist er sicher.

Man brauche sich ja nur die vielen alten Häuser in unseren Städten ansehen. Die stehen teilweise schon hunderte Jahre und sind echte Schmuckstücke, obwohl sie in der damaligen Bauweise heute eigentlich so nicht mehr genehmigungsfähig wären.

Und hier sieht er das nächste Problem der Branche. Es dauere viel zu lange bis ein Bauantrag sämtliche behördliche Hürden genommen hat und endlich freigegeben wird. Dabei sei Wohnraum ja allüberall Mangelware und die Mietkosten flögen den Menschen nur so um die Ohren. „Wenn die Politik nicht vernünftig gegensteuert ist Wohnen bald nicht mehr bezahlbar“, ist er sich sicher.“

Der Nachwuchs fehlt

Sorgen macht dem Obermeister auch der fehlende Nachwuchs. „Wir heben einen gravierenden Fachkräftemangel“ bedauert er. So seien am vergangenen Freitag bei der Handwerker-Lossprechung gerade mal vier Maurer dabei gewesen.

Und bei uns verdienen die Auszubildenden wirklich nicht schlecht, berichtet er weiter. Allein im ersten Lehrjahr sei der Lohn schon über vierstellig und steigere sich auf über 1700 Euro brutto im dritten Lehrjahr. Mit rund 3200 Euro brutto inklusiv aller Leistungszulagen könne dann ein Geselle im ersten Jahr rechnen.

Dennoch bleiben die Azubis aus. „Das liegt auch viel an den Eltern, die Ihren Kindern abraten, einen der Bauberufe zu erlernen. Denn, wer auf den Bau arbeitet, muss in allen Jahreszeiten draußen arbeiten. Klar, dass man dabei auch mal schmutzig wird. Aber die Betriebe stellen ja die gesamte Arbeitskleidung und bei entsprechender Witterung sogar den Sonnenschutz.“

Dennoch werden von den verbliebenen Baubetrieben im Landkreis derzeit nur rund zehn Azubis ausgebildet. Auch die Zahl der Baubetriebe sei dramatisch gesunken. Waren es 1990 noch rund 90 Betriebe so sei heute nur noch ein gutes Dutzend“ aktiv. Die Ausbildungsbetriebe im Landkreis haben noch vier Bauberufe im Portfolio, in denen Sie eine Ausbildung anbieten: Maurer, Beton- und Stahlbetonbauer, Straßenbauer und Baumaschinenführer.

Wer einmal in die Berufe reinschnuppern will, sollte sich um einen Praktikumsplatz bewerben. Da sieht man, wie die Leute vom Bau arbeiten und bekommt auch die Atmosphäre auf der Baustelle mit.

„Ein eingespieltes Bauteam ist wie eine große Familie“, stellt Laichinger fest, „die sind das ganze Jahr zusammen, wissen alles von einander und müssen sich gegenseitig auch vertrauen und sich verlassen können.“

Chef der rund sieben Mann starken Truppe ist jeweils der Vorarbeiter, der Polier, wie es auf dem Bau heißt. Er gibt die Anweisungen und kennt den Plan. Wichtig ist, dass er zuverlässig ist und auch kräftig mit anpackt!

zuletzt aktualisiert: 21.10.2023